Filme vs. Mental Health: Wie in Frozen / Die Eiskönigin ein Kindheitstrauma beschrieben wird

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Vorab: Ich gebe zu – ich stehe Disney-Filmen und – Hörspielen nicht immer positiv gegenüber und dieses ganze Merchandising rund um die „Disney Princesses“ und andere Filmreihen geht mir ziemlich auf den Keks. Zumal Schuhe, Shirts und Kostüme mit „Elsa“-Bild eindeutig teurer sind als ihre „nicht unverfrorenen“ Pendants. Womit wir schon beim Thema wären.
 
Zuletzt durfte ich mir dank eines längeren Krankenstands unserer Tochter den ersten Teil von „Frozen- die Eiskönigin“ bestimmt zehnmal mehr oder weniger vollständig anhören. Meine große Tochter hat natürlich noch Schwierigkeiten, der sehr geballten Handlung zu folgen, und erinnert sich eher an die magischen Kleinigkeiten und die Beschreibungen von Schlössern und Kleidern. Die Kleine, nun ja, versteht wahrscheinlich noch ziemlich wenig von den Zusammenhängen. Aber immerhin kann schon sie schon „Elsa“, „Anna“ und „Olaf“ nachsprechen.
 
Da zusätzlich zur Krankheitswelle noch unsere Vertretung der Reinigungskraft überraschend ausfiel, nutzte ich „Die Eiskönigin – vollig unverfroren“ also als Putzaudio. Und bei so eintönigen Tätigkeiten wie Waschbecken auswischen kann man super über den tieferen Sinn der Dinge nachdenken. Es gab eine Zeit vor meinem Einstieg in die Tech-Branche, in der es mein Job war, Medieninhalte analytisch aufzunehmen und zu durchleuchten. Immerhin komme ich aus dem Studienzweig der Literatur- und Kulturwissenschaft und schreibe sehr gern über solche Dinge.
 
Während ich also wischte, Spiegel eisflächenglatt polierte und Zahnpastaflecken in die Eiswüste schickte, fragte ich mich, was die „Moral von der Geschichte“ ist. Abgesehen davon, dass sich Disney wie immer gletscherweit von der Ursprungsversion der „Schneekönigin“ entfernt hatte. Worin liegt also der Kern von Problem und Lösung? Und was können meine Kinder und ich aus der Geschichte in unser Leben „mitnehmen“?
 

Elsa und Anna: Ein Trauma und gefährliches Schweigen

Man stelle sich eine reiche, prominente Unternehmerfamilie vor. Eine Familie, die viel gesellschaftliche Verantwortung trägt und ständig in der Öffentlichkeit steht, bestehend aus Mutter, Vater und zwei Töchtern. Alles ist herausgeputzt, jeder erfüllt seine Aufgaben und von außen betrachtet wirkt alles wie in einem Bilderbuch. Die beiden Schwestern Elsa und Anna haben alles, was das Herz begehrt, und halten zusammen wie Pech und Schwefel.
 
Aber Elsa hat eine besondere Fähigkeit, Gabe, nennen wir es Eigenschaft. Mit dieser Eigenschaft, die tief in ihrem Wesen verankert ist, verletzt sie ihre Schwester noch im frühen Schulalter irrtümlich beim Spielen und bringt sie in Gefahr. Ein zutiefst traumatisches Ereignis für beide Schwestern, die sich bisher komplett in Sicherheit gewogen hatten.
 
Die Eltern suchen – fernab der Paparazzi – spezielle Ärzte und Therapeuten auf. Das „geschädigte“ Mädchen wird hypnotisiert und tiefenpsychologisch manipuliert, so dass ihr Bewusstsein das Erlebte verfälscht darstellt und sie die besondere Eigenschaft ihrer Schwester komplett in ihrer Erinnerung ausblendet. Die „besondere“ Schwester jedoch wird ermahnt, ihre Fähigkeiten gezielter einzusetzen. Dies erfordert Übung und ist natürlich sinnvoll. Allerdings ist es ihr verboten, mit irgendjemandem darüber zu sprechen und während dieser Trainingsphase Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Selbst ihre geliebte Schwester Anna, deren Erinnerung sich sowieso verändert hat, darf Elsa keinesfalls in ihre Besonderheiten und Gefühle einweihen. Sie soll das Problem allein, nur mit Unterstützung ihrer Eltern lösen. Soweit der „Heil- und Förderplan“ – ohne bekannte Alternativen.

Die Familie schottet sich also in einer jahrelangen Quarantäne ab, um Elsas „Problem“ zu lösen. Auch die Schwestern werden konsequent „aus Sicherheitsgründen“ voneinander getrennt. Aus Angst davor, ihre Schwester noch einmal zu verletzen, beschließt Elsa, ihr Geheimnis „in ihr Herz einzuschließen“ und zieht sich angstvoll vor der gesamten Umwelt zurück. Sie entwickelt Selbsthass, schämt sich für ihre Besonderheiten, versucht diese krampfhaft zu unterdrücken.
 
Anna dagegen leidet unter dem Verlust ihrer besten Freundin und Schwester, die mit ihr keine Schneemänner mehr baut – und sie auch sonst ablehnt. Sie macht sich Vorwürfe, weiß nicht, was sie „falsch“ gemacht hat. Wie auch – ihr Bewusstsein hat sich schließlich verändert. Zu einer Aussprache kommt es nie – nicht einmal, als die Eltern bei einem Unfall auf einer Dienstreise versterben. Jede der beiden Schwestern leidet jahrelang für sich allein, nur mit Kontakt zu den eigenen Eltern und Hausangestellten. So werden sie erwachsen und versuchen, jede für sich mit ihrer seelischen Notlage und Einsamkeit umzugehen.
 

Erfolglose Coping-Strategien

Nach Jahren treffen die Schwestern wieder aufeinander – bei der Übergabe des Firmenimperiums an die inzwischen volljährige Elsa. Es sind viele einflussreiche Gäste zu diesem Event eingeladen. Nicht alle meinen es gut, so mancher wird wahrscheinlich versuchen, am Chefsessel zu sägen und selbst Profit aus dem geschwächten Familienunternehmen zu schlagen. Elsa, die sich durch die lange Isolation ein enormes Grundmisstrauen angeeignet hat, weiß das und bereitet sich auf einen perfekten Auftritt vor. Anna, die sich vor allem verzweifelt nach Liebe sehnt, nicht. Sie verliebt sich Hals über Kopf in den benachteiligten Unternehmenserben Hans, der, wie sich später herausstellt, aus reiner Habgier das Herz der jüngeren Schwester erobert hat. Aber Anna will einfach an die einzige große Liebe glauben – wozu hätte sie denn sonst vorher die ganzen Jahre an Einsamkeit gelitten? Sie sieht in Hans, oder eher: in seiner Illusion, die Rettung ihres verwundeten Herzens und ist bereit, ihm gleich große Vermögensanteile und Befugnisse zukommen zu lassen.
 
Das bringt Elsa aus der Fassung, die nach wie vor davon besessen ist, ihre Besonderheiten vor der Welt zu verstecken. Doch diese Eigenheiten brechen sich unkontrolliert in Panik Bahn. Es folgt ein beispielloser Shitstorm durch die Geschäftspartner und Gäste und Elsa zieht sich endgültig in die Einsamkeit zurück. Erst ganz für sich allein – und nur dann, so glaubt sie, darf sie endlich sie selbst sein und das verwirklichen, was in ihr steckt. Anna will jedoch ihre Schwester nicht aufgeben – eine Hartnäckigkeit, die beide am Ende vor dem Kollaps bewahren wird.
 
Ihrer „warnenden“ Erinnerungen beraubt, bleibt sie in einer Illusion bedingungsloser Liebe verhaftet – vor allem Hans gegenüber. Aber sie versteht auch ihre Schwester nicht, die sie zwar in ihr neues Domizil hereinlässt, aber erneut vor Panik durchdreht und sie erneut unabsichtlich verletzt. Auch Elsa fühlt sich durch den Besuch in ihrem neuen Heim bedroht und fällt in die Muster der verängstigten „kleinen Elsa“ zurück, die Angst vor sich selbst und ihren Fähigkeiten hat. Sie will keinesfalls zurück in eine Gemeinschaft, wo sie Schaden anrichtet und für ihr Sein verachtet wird – da bleibt sie lieber auf ewig allein! Anna klammert sich derweil an die Hoffnung, Hans würde sie vor dem Zusammenbruch bewahren und kann sogar ihren (in sie verliebten) Kumpel Kristoff davon überzeugen, der sie nach Diagnosestellung durch die Ärzte und Therapeuten zunächst wieder geschwächt nach Hause bringt.
 

Verletzte innere Kinder

Am Ende stehen sowohl Elsa als auch Anna kurz vor dem seelischen Bankrott. Anna, weil sie Hans als skrupellosen Heiratsschwindler entlarvt, der für seine Vorteile auch über Leichen geht. Und Elsa, weil sie sich durch ihr unbedachtes Tun während der letzten Panikattacke die Schuld an Annas Zusammenbruch gibt. Am Ende ist es die intuitive Verbindung der beiden Schwestern, die dabei hilft, eine Heilung des inneren Kindes der jeweils anderen einzuleiten und nicht den Bezug zum Leben zu verlieren.
 
Ein Weg, der mit einem großen Schritt beginnt, aber noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. ((Frozen 2 habe ich schließlich noch nicht analysiert ;))
Zum Glück gibt es – anders als im „echten Leben“- immer ein Happy End. Anna erkennt Kristoff als ihre „echte große Liebe“ an, Elsa kann ungehindert das Firmenimperium übernehmen und ihre Fähigkeiten nicht nur für sich, sondern auch für ihr Umfeld vorteilhaft einsetzen. Hans und der intrigante CEO der „Pitzbühl Trading Company“ bekommen einen verdienten Imageschaden und eine Vertragskündigung ab. Bei aller Neutralität als Erzählerin dieses modernen Märchens: DAS haben sie sich aber auch wirklich unredlich verdient. Wie man in den Wald hineinruft … und so weiter.

. „Und die Moral von der Geschicht‘“ …

. Und was haben meine Tochter und ich aus diesem „modernen Märchen“ gelernt?

  • Trau dich, du selbst zu sein, alle anderen gibt es schon.
  • Rede über das, was dich bewegt.
  • Höre auf dein Herz UND deinen Verstand.
  • Verlasse dich auf dich selbst, aber nimm Hilfe an.
  • Wehre dich und stehe für andere ein.
  • Lasse dich nicht von der Oberfläche blenden.
  • Respektiere andere für das, was sie sind.
  • Entwickele dich weiter.
  • Schätze echte Freunde im Leben – sie sind selten.
  • Wage den Blick in deinen inneren Spiegel.
  • Bleib‘ am Ball, wenn du etwas wirklich willst.
  • Wären alle gleich, wäre die Welt langweilig.
  • Kein Kind ist gleich – und auch kein Lebensweg.
  • Manchmal führt der Weg zum Glück über Steine und Umwege.
Und vielleicht der wichtigste Grundsatz: Jeder hat Verletzungen – aber sie können heilen. Wir müssen uns nur selbst ein wenig besser zuhören, hin und wieder.
 
Vielen Dank an Cathy Cat für den tollen Gastbeitrag, der mich zu Tränen gerührt hat! – Pia

 

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1 Comment

  • Wenn ihre Älteste schon Probleme hat die Handlung des Filmes komplett zu erfassen, frage ich mich, warum sie mit ihren Kindern nichts Altersentsprechendes guckt. Und mit dem Film einfach noch etwas gewartet hat.
    Das zum einen.
    Zum anderen finde ich es tatsächlich schade, dass Teil 2 nicht mit in Betracht gezogen wurde, wo der erste doch schon 10 Jahre existiert. Das hätte der Ganzen ‘Analyse’ noch mehr Substanz gegeben und die Beziehung zwischen den beiden Schwestern noch besser beleuchten können.

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